Konzept und Ziele

Visualisierungen nehmen eine wachsende Bedeutung in der geographischen Forschung ein (z.B. Rose 2003 und 2016, Crang 2010, Schlottmann/Miggelbrink 2009 und 2015). Die zunehmende Verbreitung von Digitalisierungen und damit verbundenen Techniken, Werkzeugen und Zugängen, aber auch die Entwicklung erkenntnistheoretischer Debatten in Richtung Verkörperung und Erfahrbarkeit tragen dazu bei, dass visuelle Aspekte im verstärktem Maße Teil geographischer Forschungspraxis und der Kommunikation und Verbreitung von Forschungsergebnissen ist.

Allerdings weist das Thema Visualisierungen im Bereich der Repräsentation geographischer Forschung einen verblüffenden Bias auf. Die weltweit verbreitete Vielzahl thematischer Karten und Graphiken zeigt, dass Visualisierungen vor allem in der quantitativ orientierten Geographie genutzt werden. Trotz der Potentiale visueller Repräsentation werden Visualisierungen in qualitativer raumbezogener Forschung, insbesondere (erklärende) Visualisierungen im Forschungsprozess und in Darstellungen der Ergebnisse, bisher kaum genutzt. Speziell in der deutschsprachigen qualitativen Geographie fällt eine vorsichtige Zurückhaltung (Crang 2003, 500) im Bereich Visualisierungen auf, die sich nicht zuletzt in einem Mangel an entsprechenden Erklärungen oder Anleitungen in der geographischen Methodenliteratur wiederspiegelt. Diese Beobachtung wirft Fragen nach dem besonderen Verhältnis von qualitativer Geographie und Visualisierung auf, den Voraussetzungen und Eigenheiten. Die fehlende Verbindung dieser Bereiche kennzeichnet sowohl aus fachlicher Sicht als auch angesichts der Relevanz einer wirksamen Kommunikation mit weiten Gesellschaftsbereichen eine entscheidende Schwachstelle qualitativer Geographie.

Das Netzwerk setzt an dieser Lücke an und nimmt sich vor, die Entwicklung der deutschsprachigen qualitativen Geographie durch eine vertiefte Diskussion und Weiterentwicklung visueller Darstellungsformen voran zu bringen. Dabei ist es das Ziel,

(1)       in einem Netzwerk methodenorientierten Nachwuchses in der deutschsprachigen Fachgemeinschaft eine kritische und zugleich konstruktive Debatte um Risiken und Potentiale der Visualisierung qualitativer Geographie sowohl auf fachinterner als auch gesellschaftlicher Ebene zu etablieren,

(2)       die Auseinandersetzung mit den epistemologischen Hintergründen, methodischen Herausforderungen von Visualisierungen qualitativer Forschung zu befördern,

(3)       diese Entwicklung zu bereichern durch die Einbindung des Wissens anderer Disziplinen und den Austausch mit schon fortgeschrittenen internationalen Debatten in diesem Gebiet,

(4)       innovative Methoden, Formen und Zugänge der visuellen Repräsentation und Kommunikation qualitativer Forschungsprozesse und –ergebnisse zu erarbeiten, um somit

(5)       der breiteren Debatte um die Bedeutung wissenschaftlicher Kommunikation (u.a. bezüglich der Mittel, Medien und Mediation akademischen Wissens) für gesellschaftliche Lernprozesse neue Impulse zu versetzen.

Quellen

Crang, M. (2003): Qualitative methods: Touchy, feely, look-see? In: Progress in Human Geography, 27(4), 494-504.

Rose, G. (2003): On the Need to Ask How, Exactly, Is Geography “Visual”? In: Antipode, 35(2), 212-221.

Rose, G. (2016): Visual Methodologies: An Introduction to Interpreting Visual Materials. London.

Schlottmann, A.; Miggelbrink, J. (2009): Visual Geographies – an Editorial. In: Social Geography, 4, 1-11.

Schlottmann, A.; Miggelbrink, J. (eds.) (2015): Visuelle Geographien. Zur Produktion, Aneignung und Vermittlung von RaumBildern. Bielefeld.